September - Die Große Brennnessel (Urtica dioica)

Bereits im Mittelalter scherzte ein Botaniker: "Die Brennnessel ist die einzige Pflanze, die man auch bei Nacht erkennt." Und wirklich - ihr "hervorstechend- stes" Merkmal sind die Brennhaare, die bei Berührung ein höchst wirksames Substanzgemisch in die Haut injizieren, wo es das gefürchtete Brennen hervorruft. Doch wir lassen uns davon nicht abhalten und verwenden die jungen Blätter frisch als Zugabe für einen gesunden Salat, als Spinat oder getrocknet für einen entwässernd wirkenden Tee, oder - wie hier beschrieben - wir sammeln im beginnenden Herbst die Samen, um sie später zu rösten.

Die Große Brennnessel ist zweihäusig, das heißt, es gibt männliche und weibliche Pflanzen. Da sich die Große Brennnessel nicht nur durch Samen, sondern auch durch unterirdische Ausläufer vermehrt, entwickeln sich deshalb ganze Brennnessel-Büsche, die entweder männlich oder weiblich sind. Die Samen finden sich natürlich nur auf den weiblichen Pflanzen. Man erkennt sie daran, dass die Blüten- bzw. Samenstände schwer in langen, dunkelgrünen bis bräunlichen Rispen aus den Blattachseln herabhängen. Die männlichen Blütenstände sind kürzer, heller und stehen eher waagrecht von der Pflanze ab. Im Herbst, wenn wir die Samen sammeln, sind die Brennnesselblätter meist nicht mehr saftig grün, sondern eher schütter am Stengel verteilt und meiner Erfahrung nach brennen sie nun kaum noch. Sammeln Sie ein paar Hände voll der Rispen in ein Schüsselchen. Daheim werden die einzelnen Samenkörner von dem Stengelchen abgerebelt, mit ein bisschen Fingerspitzengefühl geht es ganz leicht.

Geröstete Brennnesselfrüchte

Sie brauchen

1 Hand voll Brennnesselfrüchte
etwas Öl (z.B. Distelöl, Sonnenblumenöl)
1 halbe kleine Zwiebel
1 kleine Tomate
evtl. etwas Knoblauch
nach Geschmack Salz und Pfeffer

Rösten Sie die Samen mit etwas Öl in einer Pfanne an und geben Sie die weiteren Zutaten klein geschnitten dazu. Das ganze wird einige Minuten lang gedünstet, bis die Flüssigkeit der Tomate verdampft ist und eine körnige Masse zurückgeblieben ist. Auf Butter- oder Quarkbrot gestreut schmecken die Brennnesselsamen lecker nussig und sind dazu besonders gesund. Doch mehr als 1 – 2 Esslöffel sollten Sie trotzdem nicht zu sich nehmen. Sie können die Samen auch ungeröstet z.B. direkt über Ihr Müsli streuen oder im Brot mitbacken, aber geröstet schmecken sie einfach noch besser!

Inhaltsstoffe
Brennesselsamen galten schon vor über 2.000 Jahren als Aphrodisiakum. Der griechische Dichter Ovid empfahl zur Steigerung der Manneskraft eine Mischung aus Pfeffer und Nesselsamen. Und es stimmt wirklich: In der heutigen Naturheilkunde haben sich Brennesselsamen als gutes Tonikum bewährt. So helfen sie bei Leistungsschwäche, chronischer Müdigkeit und bei Streß. Besonders älteren Menschen werden sie als Stärkungsmittel empfohlen.

Doch nicht nur dem Menschen helfen sie auf die Sprünge – Pferdehändler mischten Brennnesselsamen unter das Futter und brachten so Augen und Fell glänzend. Und mischt man sie unter das Hühnerfutter, so legen diese mehr Eier. Vielleicht gönnen Sie einmal Ihrem Kanarienvogel ein wenig Brennesselsamen zum Vogelfutter?

Sammeln und lagern
Brennnesselsamen können Sie auch auf Vorrat sammeln. Wenn Sie getrocknet sind, können Sie sie in einem Schraubdeckelglas aufbewahren. Man sammelt die reifen Samen, trocknet sie auf einem Tuch ausgebreitet und bewahrt sie, vor Feuchtigkeit geschützt, in einem Pappkarton oder Leinensäckchen auf. Tagesdosis: 1-2 Eßlöffel. Die Samen können ins Brot gebacken werden und schmecken auch gut aufs Butterbrot gestreut. Sie können sie auch in der Kaffeemühle oder im Mörser mahlen.

Vorkommen
Ursprünglich kam sie nur an Ufern und in Auwäldern vor, im Gefolge des Menschen ist sie jedoch in der ganzen Welt - außer den Tropen - verbreitet. Denn wo der Mensch siedelt, ist es auch nährstoffreich - und so braucht's die Brennnessel.

... dass die Brennnessel seit dem Mittelalter und bis in die Neuzeit hinein als Faserpflanze angebaut wurde?
Bereits vor Jahrtausenden wurden Brennnesselfasern zum Befestigen von Pfeilspitzen am Schaft verwendet. Doch erst mit dem regelrechten Anbau der Brennnessel konnten ihre seidig-glänzenden Fasern zu größeren Mengen an Nesseltuch (!) verarbeitet werden. Erst mit dem Siegeszug der Baumwolle Anfang des 19. Jahrhunderts geriet die Brennnessel als Faserpflanze fast in Vergessenheit. Nur in Kriegs- und Krisenzeiten wurde der Anbau kurzfristig wiederbelebt. Heute erfahren Stoffe aus Brennnesselfasern als Nischenprodukt wieder neue Aufmerksamkeit.
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